Maßnahmenpaket zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels
Die Entwicklung konkreter Maßnahmen und die Frage der institutionellen Verankerung der Klimawandelanpassung auf Verwaltungsebene stand im Fokus des dritten LoKlim-Workshops am 13. Juli 2022 im Regionalen Innovations- und Technologiezentrums (RITZ) in Friedrichshafen. Etwa 50 Akteure aus Politik, Verwaltung und Fachexperten aus den klimarelevanten Handlungsfeldern diskutierten konkrete Umsetzungsschritte und Prozesse zur Verankerung der Klimawandelanpassung im Bodenseekreis.
In seiner Begrüßung wies Harald Betting, Leiter des Bau- und Liegenschaftsamts im Bodenseekreis, vor dem Hintergrund der aktuellen Nachrichtenlage mit Waldbränden und Wasserknappheit auf die Dringlichkeit hin, das Thema der Klimawandelanpassung im Landkreis stärker in den Fokus zu nehmen. LoKlim-Projektleiterin Stefanie Lorenz und Doktorand Dennis Fila zeigten in der Einführung auf, wie die in den ersten zwei Workshops entwickelten Strategien und Ziele nun in konkrete Maßnahmen und Empfehlungen für die institutionelle Verankerung überführt werden können.
300 Maßnahmen auf Umsetzbarkeit geprüft
Im Vorfeld des dritten Workshops fanden für die Handlungsfelder Stadt- und Raumplanung, Verkehr, Wirtschaft und Gewerbe, Gesundheit und Soziales, Naturschutz und Biodiversität, Land- und Forstwirtschaft, Wasser und Tourismus jeweils Fachabstimmungen zur Umsetzbarkeit der geplanten Maßnahmen statt. Anhand von Kriterien zur personellen und finanziellen Machbarkeit, dem Beitrag zur strategischen Zielsetzung im jeweiligen Bereich, der Breitenwirkung der Maßnahme, der zu erzielenden Anpassungswirkung und der Berücksichtigung von vulnerablen Personengruppen wurden die 300 Maßnahmenvorschläge aus dem zweiten Workshop überprüft. Im Ergebnis wurden 75 Maßnahmen zur Umsetzung für den Bodenseekreis vorschlagen. Diese Maßnahmen waren Ausgangspunkt der Diskussion und Priorisierung im dritten Workshop.
In drei fachlichen Kleingruppen diskutierten und priorisierten die Teilnehmenden die Maßnahmen für die nächsten drei Jahre. Die weiteren Maßnahmen fließen in den zweiten Umsetzungszeitraum für die folgenden drei Jahre ein. Eine weitere Kleingruppe diskutierte konkrete Schritte zur institutionellen Verankerung und Verstetigung über alle Handlungsfelder hinweg zwischen politischen Vertreter*innen und der Verwaltung.
Die Gruppe „Natürliche Systeme und naturnutzende Systeme“ entschied sich bei den Themen Umwelt und Naturschutz mehrheitlich für die Priorisierung von Maßnahmen zur Stärkung von Biotopverbünden und der Vernetzung von Lebensräumen. Außerdem lag der Fokus auf der ökologischen Aufwertung von sogenannten „eh-da“ Flächen wie Grünstreifen entlang von Straßen und der Schaffung von Anreizen und Informationsveranstaltungen zur Anlage von naturnahen und biodiversen Gärten im Landkreis. Im Wasserbereich standen die Maßnahmen zur nachhaltigen Regenwasserbewirtschaftung durch dezentrale Retentionsräume und die multifunktionale Nutzung von Freiflächen an erster Stelle. Des Weiteren entschied sich die Gruppe für die Verankerung der wassersensiblen Stadtentwicklung in der Bauleitplanung sowie die Aufwertung des ökologischen Zustandes der Gewässer. In der Land- und Forstwirtschaft lag der Fokus auf der Förderung des Wissens- und Erfahrungsaustausches zwischen den Betrieben, Expert*innen sowie Regionen mit vergleichbaren Herausforderungen. An zweiter Stelle standen Maßnahmen zum Aufbau von Frostschutz- und Tröpfchen Bewässerung und die Förderung von Agrophotovoltaik also der Bau von Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen, der auch der Verschattung dient.
In der Kleingruppe „Infrastruktur und Gebäude“ diskutierte die Gruppe intensiv die Maßnahmen im Bereich Verkehr. Hierbei stand die flexible und klimaangepasste Umgestaltung von Verkehrsflächen im Zentrum. Konkret wurde das Ziel der Entsiegelung über die Begrünung und Verwendung von wasserdurchlässigen Belägen auf Parkplätzen sowie den Rückbau von Straßen (über Einbuchtungen) und die Verwendung heller Beläge im Straßenbau gesehen. In den Aktionsplan werden ebenfalls die Reduzierung des Parkraums und Umnutzung zu Grünflächen sowie der probelweise Aufbau von Hochbeeten oder Sitzplätzen für Cafés auf Parkflächen aufgenommen. Im Bereich der Stadt- und Raumplanung stand ebenfalls die Verringerung der Flächenversiegelung oben auf der Agenda: hier soll insbesondere auf einen niedrigen Grad an Versiegelung mit Dach- und Fassadenbegrünungen in Neubaugebieten geachtet werden, darüber hinaus ist die Vernetzung kommunaler Bauämter für einen Erfahrungsaustausch zu Maßnahmen der Klimawandelanpassung vorgesehen und die Bauaufsicht zur Kontrolle der Einhaltung der Auflagen soll gestärkt werden.
Die Kleingruppe „Naturferne Wirtschaftssysteme und soziale Systeme“ wählte im Tourismus Bereich die Maßnahme aus den Tourismus in der Planung des Öffentlichen Personen Nahverkehrs mitzudenken und hierbei auf Verständlichkeit der Fahrpläne, Barrierefreiheit der Busse und Haltestellt und die Verschattung von Haltestellen zu achten. Außerdem sprach sich die Gruppe für den Ausbau und Kommunikation von Trinkwasserspendern und Schattenplätzen im öffentlichen Raum und die Erstellung von Informationsbroschüren zu Angeboten bei Hitze und Gefahren bei Extremwetter für Touristen und Dienstleister aus. Im Wirtschaftsbereich erhielt die Maßnahme zur Förderung von vertikaler Bauweise (statt eingeschossiger Bauweise) und der Vermeidung von großflächigen Parkplätzen die höchste Punktzahl, dahinter folgten Maßnahmen zur Dach- und Fassadenbegrünung, Verschattung und effektiven Nutzung von Baulücken in Gewerbegebieten sowie die Stärkung von Recycling über effektive Rohstoffkreisläufe und Rohstoffverwertung. Im Bereich Gesundheit stand die Bewerbung von vorhandenen Informationsmaterialien zu Hitze, Zecken, Ambrosia etc. sowie die Erstellung weiterer Broschüren und Informationsveranstaltungen im Zentrum. Daneben wurden Maßnahmen zur Identifikation und Schutz von besonders vulnerablen Gruppen (Kleinkinder unter 6 Jahren, Senioren über 65 Jahre, Wohnungslose, etc.), die gezielte Klimawandelanpassung in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Pflegeeinrichtungen mit Hilfe der Erstellung von Evakuierungsplänen und die Erstellung eines Hitzeaktionsplans/Hitzewarnsystems von der Gruppe priorisiert.
Die Kleingruppe zur institutionellen Verankerung wies darauf hin, dass die hier diskutierten Punkte die Grundlage für die Umsetzung der Maßnahmen aus allen Bereichen bilden. Hierzu gehört der politische Beschluss der Anpassungsstrategie, verwaltungsinterne Abstimmungsrunden, die regelmäßige Berichterstattung der Ergebnisse, eine dauerhafte Personalstelle und klare Verantwortungen und Zuständigkeiten in den einzelnen Bereichen.
Harald Betting bedankte sich zum Abschluss herzlich beim Team der Universität Freiburg für den gelungenen Prozess im Rahmen der drei Workshops. Von Seiten des Projektes wird nun basierend auf den Ergebnissen der Workshops die Anpassungsstrategie für den Bodenseekreis ausgearbeitet. Kernstück der Strategie wird die Verankerung der Klimawandelanpassung und der Aktionsplan mit den priorisierten Maßnahmen über alle Handlungsfelder hinweg sein.